WAVE

by Katrin Dillkofer, review on WAVE, media installation, 2014

Barbara Herolds Arbeiten entstehen aus der Wechselbeziehung zwischen realer und digitaler Welt. Unsere Erfahrungswirklichkeit ist zunehmend von digital erzeugten Bildern, Klängen und Texten geprägt. Mehr als 90 Prozent der gesamten Informationskapazität liegt mittlerweile digital vor. Barbara Herold geht es darum, dieser ambivalenten Wirklichkeit eine eindringliche Gestalt zu verleihen, weshalb man sie als eine ›realistische‹ Künstlerin bezeichnen könnte. Schon Gustave Courbet betonte, dass »wahrhaft historische Kunst ihrem Wesen nach zeitgenössisch [sei]« und formulierte damit das Credo der realistischen Epoche. Bertolt Brecht bereicherte den realistischen Diskurs schließlich um den »Verfremdungseffekt«. Nur aus einer künstlich hergestellten Differenzerfahrung sei eine Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen bzw. der Welt in ihren festgefahrenen Strukturen möglich: »die gewöhnliche anschauung ist, dass ein kunstwerk desto realistischer ist, je leichter die realität in ihm zu erkennen ist. dem stelle ich die definition entgegen, dass ein kunst- werk desto realistischer ist, je erkennbarer in ihm die realität gemeistert wird.«

Auch Barbara Herold bringt in ihren Arbeiten derartige Kontraste hervor. Sie beschreibt das Geschehen der abgebildeten Video-Audio-Installation, die aus acht Monitoren ihren Körper bildet, wie folgt: »Ein rauschendes Meer an Kristallen löst sich Schicht um Schicht rhythmisch auf und formt den Lauf einer sich voranwalzenden Welle.« Die Künstlerin verschafft der digitalen Bild- und Tonerzeugung eine außergewöhnliche Metapher, die nicht über ihre Fak-tizität hinwegtäuscht. Es geht Barbara Herold nicht um die Abbildung oder Inszenierung einer Welle, sondern um eine digital komponierte Formstruktur, die dem Wesen einer Welle entspricht. Wasser und Welle sind elementare Kräfte. Sie stehen für das ewige Fließen, für die unendliche Bewegung, in der sich unsere beschleunigte Welt befindet.

Publication: Domagk catalog, 2015, Munich, p. 62 (German)